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Spielzeit 2013 | 2014

Nathan der Weise

Nach Gotthold Ephraim Lessing

Termin

Samstag, 08.02.2014 | 19.30 Uhr

Spielort

Schloss

Kategorie

Beschreibung

Es wird ein Mensch gemacht.
Goethe. Faust II

Zwischen uns und Lessing erstreckt sich die Epoche des Menschen und vielleicht können wir erst heute anfangen die Konsequenzen dessen zu beurteilen, was als eine so vernünftige und gütige Idee begann.

„Nathan der Weise“ mit seiner berühmten Ringparabel, den Lessing 1778 nach einer nahezu mathematischen Logik entwirft, zählt zu den literarischen Grundsteinen der Aufklärung und wird herkömmlich als Vision für ein friedliches Zusammenleben der drei monotheistischen Religionen zelebriert.

Doch wie realistisch ist das? Können verschiedene Religionen und Kulturen sich auf eine gemeinsame humanistische Idee verständigen?

Seit Beginn der Aufklärung befinden wir uns an einer Schwelle, wo der menschliche Verstand und die humanistische Idee selbst als eine Art Para-Monotheismus den Platz dessen einnimmt, was bis dahin nur Gott vorbehalten war. In der Ringparabel wird bereits vermutet, dass der wahre Ring womöglich verloren ging. Dies symbolisiert einen historischen Umbruch, dass namentlich die unhinterfragbare Souveränität Gott, König, Vater im Begriffe ist zu verfallen. Und wenn der eindeutige Garant für Gut und Böse verschwindet, ist die Entscheidung jedem Einzelnen überlassen.

Was garantiert aber den Frieden zwischen diesen Einzelnen, geschweige denn gesamter Glaubensgemeinschaften? Reicht Toleranz als Ethik aus? Heute, wo mit Waffengewalt Demokratie erkämpft wird, Extremisten jedweder Glaubensrichtung und politischen Gesinnung Terror verbreiten, scheinen Lessings Fragen aktueller denn je.

Um die Idee der „Brüderlichkeit“ der Völker und Religionen zu veranschaulichen entwirft Lessing eine Geschichte, in der nicht nur „Jud und Christ und Muselmann“, sondern sogar ein klassisch dramatisiertes Liebespaar im letzten Akt als Familie, ja als Geschwisterpaar sich wiederfindet. Den Ausgang der neuen Bindung und die politischen Auswirkungen lässt Lessing aber „unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen“ offen. Das Stück legt nahe, dass unser Lernprozess vielleicht noch „tausend tausend Jahre“ dauern wird, doch genauso hebt es hervor, dass es dieser Einzelne sein kann, sein muss, von dem unsere Ethik abhängt. Gestern wie heute bleibt  der Mann, der in Anbetracht des Mordes an seiner Frau und seinen Kindern durch Christen, die Sorge um ein verwaistes Christen-Baby nicht ausschlägt, das Reale dieser Erzählung: Nathan.

Ulrich Greb versucht in seiner Inszenierung durch eine Rekonstruktion des Textes dem Potential von Lessings “dramatischem Gedicht” nachzuspüren, untersucht die Kehrseite des scheinbaren „Happy Ends“ und fragt nach der Möglichkeit einer friedlichen Gemeinschaft, die Andersheit aufrechterhält.

Hier geht’s zum Programmheft!

20 Minuten vor jeder Vorstellung wird im Foyer eine kurze Einführung zur Inszenierung angeboten. Im Anschluss gibt es ein Nachgespräch. 

Galerie

Fotograf/in: Jakob Studnar

Pressestimmen

„Großer Applaus für eine anspruchsvolle Lessing-Inszenierung und ein starkes Schauspiel-Ensemble. (…) Willkommen in einer neuen Versuchsanordnung des Schlosstheaters. Intendant Ulrich Greb inszeniert „Nathan der Weise“ und setzt theatral im Schloss einen Lern- und Denkprozess in Gang, zu dem Lessing als Vertreter von Aufklärung und Humanismus vor mehr als 200 Jahren mit seinem dramatischen Gedicht den Anstoß gab. Die Frage, die es zu beantworten gilt, lautet: Ist es die Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen, die am Ende den Frieden schafft? Aber zuerst gilt es, Toleranz zu lernen. Die Schauspieler tragen Kopfhörer und weiße Kleider, die über dem Boden rascheln, aber letztlich wie Zwangsjacken wirken. Sie formen murmelnd wie in einer Beschäftigungstherapie Figuren aus Lehm, die manchen Zuschauer gleich an Prometheus denken ließen, der auf die Erde ging, die Menschen aus Ton formte, um sie dann zu erwecken.(…)  Die Textfassung stammt von Jurgita Imbrasaite und Ulrich Greb. Ihr Fokus liegt auf Text und Sprache. Dieser Nathan, der wohl als schwierig zu inszenieren gilt, fordert auch vom Publikum hohe Konzentration ab. Die Zuschauer sitzen mittendrin in diesem Lernprozess. Das Ensemble beweist 90 Minuten lang sehr hohe Präsenz, allein dafür gab es am Ende viel Applaus. “ Anja Katzke, Rheinische Post10.02.2014 

 

„Die Ringparabel, die in Lessings Stoff Judentum, Islam und Christentum nebeneinander stehen lässt und als Idee der Toleranz gilt, eröffnet Grebs Inszenierung. Da sitzen die Schauspieler auf der Bühne bei einer Art therapeutischem Kneten mit Ton und murmeln Passagen daraus. Aber das mit der Toleranz ist nicht so einfach, wenn einer dem anderen das liebevoll geformte Tonfigürchen kaputt haut. Der große Tonklumpen eröffnet viele Deutungsmöglichkeiten: Wie formbar ist der Mensch? Sollte sich jeder seinen Golem formen, um weiser zu werden? Ist Toleranz doch bloß Gleichmacherei? Und schließlich eröffnet er die Möglichkeit zum einzigen lauten und komödiantischen Augenblick auf der Bühne, als sich die Schauspieler das matschige Zeug um die Ohren werfen: Wer schmeißt denn da mit Lehm? (…) Ulrich Greb dreht (gemeinsam mit Dramaturgin Jurgita Imbrasaite) Lessings Nathan ganz schön auf links, wenngleich er sich nah am stark gekürzten Original bewegt.“ Karen Kliem, WAZ, 10.02.2014

„Ulrich Grebs „Nathan“-Reflexion ist eine Art Mittelweg zwischen zwei radikalen Interpretationen des Stücks. Die eine stammt von Nicolas Stemann, der den Text am Hamburger Thalia-Theater angereichert mit ein bisschen Jelinek als fast pures Hörspiel ausstellte. Die andere – schon etwas ältere – von Claus Peymann, der in seiner großen Zeit am Bochumer Schauspielhaus den oft als kopflastig verschrienen „Nathan“ mit leichter Hand als abgründig märchenhafte Menschheitskomödie inszenierte. Der Moerser „Nathan“ stellt nun das Nachdenken über das Drama in den Vordergrund ohne ganz auf die spielerischen Möglichkeiten zu verzichten.“
Stefan Keim, nachtkritik.de, 09.02.2014