Am 24.07.2010 fand in Duisburg die Loveparade statt. Im Kulturhauptstadtjahr hatten sich viele Hoffnungen an dieses Megaevent geknüpft. Über eine Million Raver*innen wurden erwartet. Doch die friedliche Technoparty wird zur Todesfalle: Im Zugangsbereich entsteht ein Gedränge, bei dem 21 Menschen sterben und über 500 verletzt werden. Das Geschehen auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs ist voller Widersprüche. Die Menschenmasse, deren Energie vielleicht den Kern der Ravekultur ausmacht, wird auf schreckliche Weise zu einer tödlichen Bedrohung. Menschen feiern ausgelassen, ohne wissen zu können, dass in unmittelbarer Nähe andere sterben. Bis heute ist die Frage, ob es sich eher um ein tragisches Unglück oder um schuldhaftes Versagen bei Veranstaltern, Stadtverwaltung und Sicherheitskräften handelte, nicht geklärt. Anfang 2019 empfiehlt das Gericht, das Verfahren einzustellen. In der Begründung heißt es, neben den Planungsfehlern sei „ein kollektives Versagen einer Vielzahl von Personen am Veranstaltungstag für das Unglück mitverantwortlich.“ Am 4. Mai 2020 ist das Verfahren nun tatsächlich vorzeitig eingestellt worden. Damit endet eines der aufwendigsten Strafverfahren der Nachkriegszeit nach knapp zweieinhalb Jahren am 184. Verhandlungstag – ohne Urteil.
Für unsere Region ist die Loveparade eine unverheilte Wunde. Dass die Fragen nach Schuld und Verantwortung nun tatsächlich unbeantwortet bleiben, ist ein Teil davon. Das Rechercheprojekt Parade 24/7 stellt einen Versuch dar, sich diesem Unglück auf der Basis von Interviews, Zeugenaussagen, Protokollen und Medienberichten mit theatralen Mitteln zuzuwenden.
Spielzeit 2019 | 2020
Parade 24/7
Beschreibung
- Mit: Patrick Dollas | Matthias Heße | Privat: Emily Klinge | Roman Mucha | Elisa Reining
- Regie / Textfassung: Ulrich Greb
- Bühne: Birgit Angele
- Kostüme: Michaela Springer
- Choreografie: Constantin Hochkeppel
- Dramaturgie / Mitarbeit Textfassung: Privat: Larissa Bischoff
- Sounds: Emilio Gordoa
Galerie
Fotograf/in: Jakob StudnarPressestimmen
„Eine intensiv gespielte, vom aufopferungsvollen Ensemble hervorragend gemachte Fragestellung (…) und eine hochinteressante Choreographie von Constantin Hochkeppel. Es ist wichtig, das Thema in der Diskussion zu halten – das leistet dieser Abend.“
(Stefan Keim, WDR3 Mosaik, 20.2.20)
„“Parade 24/7″ ist ohne Frage Kunst, und zwar eine Kunst, die nach Zwischentönen sucht, die keine vorgefertigten Antworten gibt, die Räume für Gedanken und Debatten lässt.“
(Sascha Westphal, Nachtkritik, 20.2.20)
„Ein Schauspiel gegen das Vergessen. Greb sucht in radikaler Reduktion eine szenische Entgegnung. So sachlich die Textfassung das unfassbare Mosaik aus Zufall, Dummheit, Gier nach Geltung, Versagen, Überforderung, Opportunismus und Event-Geilheit zusammenfügt, so kreativ zeigen sich die Mittel der Regie. Gerade weil dieser Fall bis heute sprachlos machen kann, tut es gut, dass Theater nicht dazu schweigt.“
(Lars von der Gönna, WAZ, 20.2.20)
„Die im Vorfeld geäußerte Sorge, dass das Theater auf Sensationslust aus sein könnte, hat das Ensemble entkräftet. Die Inszenierung hinterfragt mutig, wie es zu der Katastrophe kommen konnte und was in einem System falsch läuft, in dem die Aufarbeitung der Tragödie ohne strafrechtliche Konsequenzen für eine Vielzahl von mutmaßlichen Schuldigen bleibt.“
(Anja Katzke, RP, 21.2.20)
„Wie Ulrich Greb den O-Tönen keinen erdichteten Text hinzufügt, so fügt „Parade 24/7“ auch der Loveparade, der Katastrophe wie der gescheiterten Aufarbeitung, nichts hinzu. Warum man sich das ansehen muss (und „Parade 24/7“ unbedingt in Duisburg, Düsseldorf, Essen… gezeigt werden sollte)? Weil „Parade 24/7“ mit dem nicht nachspielenden, aber bis zur Erschöpfung intensiven, überwältigenden Nachvollzug der Katastrophe kurz vorm absehbaren Ende der juristischen Aufarbeitung schreit: Das kann, das darf so nicht stehen bleiben.“
(Thomas Warnecke, Stadtpanorama, 23.2.20)
„Mit Projekten wie „Parade 24/7″ zeigen Ulrich Greb und das Sclosstheater Moers, dass Bühnen wirklich ein gesellschaftliches Forum sein können. (…) Hier ist eine berührende, vielschichtige, kritische und offene Aufführung gelungen. Das Theater leistet einiges, was Gerichte und Politiker nicht geschafft haben.“
(Stefan Keim, Welt am Sonntag, 1.3.20)
Vorberichterstattung:
- Zur Kritik am Loveparade-Theaterstück: Ulrich Greb im Interview mit Jan Skrynecki von Studio 47.live. Die Aufzeichnung gibt es hier zum Anschauen.
- Kontroverse um Loveparade als Theaterstück: Den Beitrag von Martin Rosenbach bei WDR Westart gibt es hier zum Anschauen.
- Schlosstheater Moers zum Loveparade-Stück. Den Beitrag von Radio K.W. können Sie hier als Podcast anhören.