Pressestimmen zu „Pygmalion – My Fairest Lady“

Damian Popp lässt es nicht „grünen“, sondern folgt mit seinem Pygmalion der gesellschaftskritischen Vorlage von George Bernard Shaw, der seinen Schluss sogar umschrieb, um nicht die Steilvorlage für eine Romanze zwischen Eliza Doolittle und Higgins zu liefern.

Offen bleibt letztlich die Frage, was nach dem sprachlichen Feinschliff aus dem Blumenmädchen Eliza Doolittle wird, das aus der Gosse kam, den Aufstieg suchte und wie „ne Dame vornehm quasseln“ lernen wollte. Eine emanzipierte Klassenkämpferin vielleicht? Oder schlicht das Opfer einer Welt voller Snobs, die sich nicht für den Einzelnen interessiert? Regisseur Damian Popp und das Ensemble des Schlosstheaters gehen dieser Versuchsanordnung, zu der George Bernard Shaw mit „Pygmalion“ die Vorlage lieferte, lustvoll zwischen Nonsens und Schenkelklopfern nach und heimsen dafür begeisterten Publikumsapplaus ein.

Anja Katzke, Rheinische Post

Der selbstherrliche Phonetik-Professor Henry Higgins (Ludwig Michael), ein gestriegelter Laffe, ist Eliza begegnet, die optisch und hörbar der untersten Klasse angehört. Er bietet Pickering eine Wette an. In sechs Monaten will er Eliza in die besten Kreise „einschleusen wie das Pferd durch Trojas Tor“. „Higgins ist phänomenal“, besingt er sich zur Musik von Jonas Schilling, und „ich mach ne Herzogin aus dieser Gassenschlampe“. Um das Schicksal der jungen Frau geht es ihm nicht, sondern allein um den Erfolg seines Projekts. Eliza macht die Sprachschulungen und Artikulationsübungen bereitwillig mit. Wer an sich arbeitet, das glaubt sie fest, kann es ganz nach oben schaffen. Und entscheidend ist nicht, was man sagt, sondern wie man sich ausdrückt, wenn man nichts zu sagen hat. Irgendwann sieht Eliza nicht mehr ein, dass in einer klassenlosen Gesellschaft noch immer soziale Herkunft und Bildung entscheidend sind. Warum soll nur sie sich „maximieren“, wenn die bestimmende Klasse selbst zu keinen nennenswerten Änderungen bereit ist?

Den weißen Abwasserkanal als Projektionsfläche für Laserspiele, Filme, Bilder und sogar Live-Video-Chats (köstliche Auftritte von Matthias Heße) nutzend, machen Popp und seine Mitstreiter aus dem Schauspiel mit viel Musik ein schrilles, an Subtext reiches Spektakel voller Absurditäten und intelligenter Verrücktheiten, dessen Kernthemen vor allem in den Songtexten zum Ausdruck kommen. Die 135 pausenlosen Minuten vergehen wie im Flug.

Wolfgang Platzeck, Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Damian Popp lässt die Komödie, die doch so einen traurigen Ausgang hat, turbulent und temporeich abschnurren, mit extrovertiertem Humor, gnadenlosem Witz, großartigen Formulierungen und absurd komischen Bildideen.

Eliza ist selbstbewusst; alles Kriecherische ist ihr fremd. Maditha Dolle gibt das Blumenmädchen am Schlosstheater Moers mit frecher Schnauze und herausforderndem Blick. Falls sie verletzlich sein sollte – in wenigen Situationen glaubt man das zu erkennen -, hat sie sich dagegen einen Panzer angelegt. Charmant ist sie nicht, denkt man: Ihr lautes Organ kann einem schon mal auf die Nerven gehen. Und schon wird einem unbehaglich, denn man erkennt, dass man dem Stück und der Inszenierung zum ersten Mal auf den Leim gegangen ist: Der Gedanke entlarvt den eigenen bourgeoisen Hochmut.

Regisseur Damian Popp legt in seiner Inszenierung nicht das verkitschte Musical, sondern Shaws klassismuskritisches Theaterstück zugrunde. Gesungen wird ab und zu trotzdem: „Ich mach‘ ‘ne Herzogin aus dieser Gassenschlampe“, schmettert Ludwig Michael als Higgins fröhlich über die Rampe – und hat das Publikum erneut in der Falle. Das freut sich über die schmissige Melodie, über die Fröhlichkeit, über den Slapstick, über das überzeichnete Kostüm des Professors mit seiner gigantisch überdimensionierten Fliege und dem schwarzen Billig-Jackett zur zebragestreiften Hose. Dabei ähnelt Higgins‘ Verhalten dem von Frankenstein, der einen künstlichen Menschen schafft: „Wir erfinden neue Elizas“, jubiliert er. Nicht erzogen, sondern zum Automaten abgerichtet wird die arme Eliza, die am Ende erkennt: Sie hat ihre Freiheit und mit ihrer Authentizität auch ihre Verankerung bei Freunden und Familie verloren, was Higgins‘ Mutter durchaus mahnend vorausgesehen hat: „Das Problem ist, was nachher kommt…“

Dietmar Zimmermann, theater:pur

Aus dem Vollen schöpft Bühnen- und Kostümbildnerin Tanja Maderner. Im steril-weißen Bühnenaufbau, aus dem die Gosse mit waberndem Nebel zu Tage tritt, lässt sie mit prallen Videoprojektionen ohne weitere Requisiten neue Räume und Bilder entstehen. Sie kreiert Gewitter und Kanalflair ebenso wie das elegant eingerichtete Wohnzimmer von Mrs Higgins.

Anja Katzke, Rheinische Post

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