Pressestimmen zu „Der Geizige“

Die Probenparodie, mit der Philipp Preuss seine Inszenierung beginnt und die den Rahmen des ganzen Abends bildet, könnte in lausigste Provinz-Comedy abgleiten. Sie tut es nicht, und das ist beachtlich. Da sitzen vier „Schauspieler“ an kargen Probenraumtischen neben der Jumbo-Kaffeekanne und hören sich müde gelangweilt, irritiert skeptisch oder arschkriecherisch fasziniert an, was ihr Chef da von sich gibt. Das gelingt so unaufgeregt, ja glaubwürdig, dass es statt albern witzig ist und -ahnt man – gar nicht so weit weg von der Realität. So, wie Frank Wickermann den „Regisseur“ zwischen Abgefucktheit, Arroganz und Ambition changieren lässt, könnte er wahrscheinlich noch manch echten Intendanten beeindrucken. Philipp Preuss will uns mit Molières „Geizigem“ durchaus die Geschichte vom knausrigen Familiendespoten Harpagon erzählen, der sein Erbe im Garten vergräbt und Sohn und Tochter in lukrative Vernunftehen treiben will, bis er selbst vor Geiz ganz panisch und schließlich beklaut wird. Eine Geschichte über die Liebe, aber vor allem über Geld und Macht. Und er nimmt sich und das Theater nicht aus von der Gesellschaftsanalyse: Mehr noch als anderswo bestimmen ja finanzielle und emotionale Abhängigkeit die Arbeit im Theater.
Preuss setzt beim Publikum im Heute an. Als Zuschauer erhält man als mündiger Mitdenker einer reflektierten Dramenannäherung wie die probenden „Schauspieler“ eine Materialmappe mit Sekundärliteratur rund um Reichtum und Macht, darunter Sloterdijks Zeitungsessay zur „Staatskleptokratie“: Weg mit den Steuern für Wohlhabende zugunsten eines Mäzenatentums? Auch darauf gibt die Inszenierung indirekt eine Antwort: In Anspielung auf den Molière-Plot folgt der Schluss erst, nachdem ein Zuschauer dafür bezahlt hat – es ist ein Happy End, so kitschig gespielt, wie es sich kein Künstler wünschen dürfte. Auch nicht im armen Moers, das an diesem Abend einen anderen Reichtum zeigt: geistigen.
(Vasco Boenisch, Theater Heute)

Die Fassung von Molieres „Der Geizige“ ist ein Glanzbeispiel des hemmungslos lustvollen Umgangs mit Textmaterial. Das Ensemble switcht zwischen Schauspieler- und Stückebene hin und her. Das ist an Komik kaum zu überbieten. Dahinter steckt die exakte Detailarbeit des regieführenden Philipp Preuss, der das Ensemble in das perfekte Timing gebracht hat. Matthias Heße, Marieke Kregel, Patrick Dollas und Katja Stockhausen changieren gekonnt zwischen maßlosen Übertreibungen und feinen Untertönen.
(Ariane Schön, Coolibri)

Preuss, der an etlichen deutschen Theatern hoch gelobt inszeniert hat, nimmt das Publikum also nicht mit ins Jahr 1668, als Molière den Geizigen uraufführte. Er lässt die Zuschauer an einer Theaterprobe teilhaben, die alsbald auf verschiedenen Ebenen zu einem blutig-furiosen Spiel rund um den schnöden Mammon wird. Wer sich in dieser Inszenierung nicht nur auf die Suche nach dem verlorenen Molière macht, der findet ein ideenreiches, sehr spaßiges Theaterstück, in dem es die Schauspieler richtig krachen lassen – mit drastischen Momenten, derben Schenkelklopfern und Schmunzlern fürs Publikum.
(Anja Katzke, RP)

Es ist eine Inszenierung, die alles in Frage stellt. Steuern, Solidaritätsprinzip, Rousseau, Marx, Eigentum, Sloterdijk, „Staatskleptokratie“, Altwerden, Würde, Sponsoring, ja sogar das Theater selbst. Da wird der Vater-Sohn-Konflikt Molières brutal zu einem Horror-Action-Thriller überdreht, mit soviel Theaterblut, dass es einen ekelt, um gleich darauf fragen zu lassen: Ist das in deutschen Theatern staatlich eigentlich so vorgeschrieben, dieses Gezucke, Geschreie, Geschmiere auf der Bühne? Preuss thematisiert ebenso viele Baustellen im System wie Metaebenen, fragt viel, und weist nach, dass es keine einfache Antwort gibt, indem er das nicht alles fein verwebt, sondern einen Knoten reinmacht in die Erzählstränge. Dieses Stück ist ein Kraftakt, allen voran für Frank Wickermann, der als „Regisseur“ den gnadenlosen, selbstherrlichen Schleifer gibt und als Harpagon das Pendant – ein Ekelpaket im Doppelpack eben. Marieke Kregel, Katja Stockhausen, Patrick Dollas und Matthias Heße breiten alles aus vom ernsten Spiel über krachende Komödie bis zum Vulgären und spielen sich nicht nur einmal einen hochroten Kopf. Und das mit spürbarer Begeisterung.
(Karen Kliem, NRZ)

Was wir sehen, ist Molière nur noch in Bruchstücken, ansonsten erleben wir eine höchst komische Persiflage auf ein deutsches Regietheater, wie es uns bestimmte Medien immer wieder als Feindbild offerieren. Molières Happy-End wird nur noch pflichtgemäß abgehakt, für das wahre Happy-End sorgt der Autor Daniel Kehlmann. Dessen peinlicher Salzburger Rede wider das deutsche Regietheater von vor zwei Jahren, hier mit schöner Naivität aus Frauenmund vorgetragen, hat man in Moers aufs Feinste Gestalt verliehen: Im Hintergrund röcheln nur noch lädierte, verschmierte, erschöpfte Kreaturen. Mag auch der breite Sloterdijk-Bezug zu Beginn nicht immer Schlüssigkeit besitzen, ein intelligenter Spaß ist Philipp Preuss mit diesem Abend zweifellos gelungen. Das Premierenpublikum im Moerser Schloss zeigt sich erstaunlich aufgeschlossen und begeistert.
(Arnold Hohmann, Der Westen)

Es gibt wirklich kein Regietheater-Mittel und Klischee, dass dem Regisseur Philipp Preuss an diesem Abend im Moerser Schloss zu abgegriffen oder zu banal wäre. Aber genau so muss es auch sein. Schließlich inszeniert er Molière als Lese- und Konzeptionsprobe. Und landet genau bei dem Paradoxon, das Kehlmann in seinen ansonsten absurd wertkonservativen und von gekränkter familiärer Eitelkeit erfüllten Ausführungen als das Wesen des Theaters aus macht: Alles ist Spiel und doch ganz wahr, alles geschieht nur in einem einzigen vergänglichen Moment und ist doch die Wiederholung von etwas immer Gleichem. Die Mittel des „Regietheaters“ – Preuss setzt diesen Begriff und die ihm bezeichnete Form schon durch die Probensituation in Anführungsstriche – werden transparent und gerade dadurch magisch.
(Sascha Westphal, www.kulturkenner.de/K.West)

Preuss inszeniert Molière eigentlich gar nicht, er zelebriert stattdessen die Probe des Klassikers, liefert Regietheater als Transformation auf die Rede des Schriftstellers Daniel Kehlmann, die jener 2009 zum Auftakt der Salzburger Festspiele gehalten hat. Vergnügter Beifall. Echt fett der Abend.
(Peter Ortmann, Trailer)

 

 

 

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