Pressestimmen zu „Biedermann und die Brandstifter“

„Ich bin gut – bis es knallt.

Die beiden Brandstifter tänzeln zur Musik vom ‚Rosaroten Panther‘ – ganz wie im Bekennervideo des NSU. Aber nicht nur das Haus ihres Gastgebers wird in Brand gesteckt, sondern Kolonnen von Flüchtlingszelten gleich mit, die, ganz in Weiß, in Miniatur vor dem Kastell im Moerser Schlosspark aufgereiht stehen. Biedermann ist ein guter Mensch und hat für alle und jeden Verständnis, ‚aber mir kommt keiner ins Haus‘. Seine mit Botox aufgespritzte und von Schönheitschirurgen rundum optimierte Ehefrau führt ein durch und durch überflüssiges Leben. Bald machen sich im Haus ein arbeits- und obdachloser Exringer und ein Exsträfling breit, die Biedermann nicht schafft wieder loszuwerden, allein das Dienstmädchen schleicht argwöhnisch um die beiden herum. Regie und Kostümbild versetzen diesen zeitlosen Figurenkosmos in eine Sphäre zwischen deftigem Comicstrip, Screwball-Komödie, Startrek und Loriot.

Max Frischs Text ist klug komprimiert und gespickt mit Zitaten vom Ratsantrag bis zur Pegida-Hetze. Ein Gegenchor stimmt melancholisch-deutsches Liedgut an. Die Übergänge der zunehmend nach rechts ruckenden Texte sind dabei erschreckend fließend. So schält die Inszenierung aus der Parabel gekonnt die Hysterie der Hausbesitzer heraus und seziert die wachsende Angst vor Überfremdung und unsichtbaren Klassenunterschieden, die nicht mehr eingehalten werden.
‚Heimat ist Tiefe, nicht Enge‘ und ‚ich bin tolerant, ich bin gut – bis es knallt‘ tönt der Chor der besorgten Bürger und bewaffnet sich schließlich selbst.

Die Moerser Aufführung ist ein Glücksfall. Seit acht Jahren trugen sich Intendant und Dramaturgie mit dem Gedanken, das ‚Lehrstück ohne Lehre‘ aufzuführen. Nun hat die Zeit sich selbst so verdichtet, dass es kein besseres Timing geben könnte.“

Friederike Felbeck, Theater der Zeit, Oktober 2015

 

„…Und am Ende reicht er ihnen wider Willen das Streichholz, das alles zerstören wird. Ulrich Greb geht in seiner Inszenierung weit über die Vorlage des Schweizer Schriftstellers hinaus. Es geht ihm um die geistigen Brandstifter von heute (…). Um das politische Thema zu verstärken, lässt er das Dienstmädchen Anna abseits der Bühne aus einschlägigen Internetblogs zitieren, die Besorgnis erregen: „Wir brauchen keine Willkommenskultur, sondern eine Abschiedskultur.“

Anja Katzke, Rheinische Post, 7. September 2015

 

„Es ist die ewige Angst vor dem Fremden, die den Biedermann mit und ohne Feuerzeug zum Brandstifter macht. Und wer hat Angst vorm Biedermann? Regisseur Ulrich Greb hat aktuelle Zitate zur Flüchtlingsdebatte aus sozialen Netzwerken ins Stück eingeflochten. Nicht nur ein Chor wie bei Frisch, sondern gleich zwei kommentieren das Geschehen – und geraten sich in die Haare: „Wir sind der Chor“ überschreit der Bürgerchor im Tonfall der Pegida-Demonstranten den Schauspielerchor, nachdem er besinnlich deutsche Volkslieder gesungen hat.(…) Den Brandstiftern machen die Bürger zu den Klängen von Xavier Naidoos „Was wir alleine nicht schaffen“ den Garaus und schwenken im Takt ihre Feuerzeuge. Und während draußen auf der Wiese vor dem Theater plötzlich ein Mini-Haus brennt, säuseln die Brandstifter in bester Pink-Panther-Manier: „Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder – keine Frage.“

Gabi Gies, WAZ, 8. September 2015

 

Eine gekonnte Mischung aus Bert ohne Ernie und dem Leatherface ist dieser Biedermann in Moers ja schon. Mitleid: Fehlanzeige. Biedermann (Frank Wickermann) ist eigentlich kein Opfer, armselig zwar, aber eben ein wohlhabender Haarwasserfabrikant, der über Leichen geht, wenn er muss, aber ziemlich schnell einknickt, wenn es um sein eigenes Wohlergehen geht. Eigentlich ist er ein Idiot. Anscheinend drängte sich das Stück in diese „Freie Radikale“ Spielzeit, das Politische machte es wohl notwendig. Die brennenden Unterkünfte für Asylanten sicher auch.  Der Rest ist eine gekonnt gespielte Farce auf einer schiefen Ebene mit scheinbar lebendem Flokati. Ein Loch führt ins Allerheiligste der Biedermanns, ihr Haus und Hab und Gut, in den Keller: Da lebt auch die Gattin Babette (Marissa Möller), grenzdebil und von Hause aus Idiotin. (…)  Das Kasperletheater wird gefährlich. Die mechanische Drehbühne wird gedreht, doch darunter sind nur Feuerlöscher. Zu spät.

Peter Ortmann, Trailer, November 2015

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